Martin Stadler
 

Was bisher geschah

Wie schnell die Zeit verfliegt. Vor 45 Jahren habe ich angefangen Blockflöte zu spielen, ein Jahr später Klavier und wieder ein Jahr später, 1976 begann ich auch, Oboe zu spielen. Die Musik hat mich von Anfang an begeistert und doch bin ich erstaunt darüber, dass ich schon weit über die Hälfte meines Lebens, diesen so schönen Beruf ausüben kann. Erinnerungen tauchen auf: bei den Bollier Haus Konzerten führte ich als 12 jähriger mit Professor Livio Vanoni (Orgel) das F – Dur Sammartini Blockflötenkonzert auf. Im Hause Willi Bolliers, einem pensionierten Orgelbauer, gab es neben vielen Instrumenten auch ein großes Sortiment an exotischen Tieren. Ich erinnere mich an ein freilaufendes Krokodil in der Wohnung. Auf die dringende Bitte meiner Mutter hin, musste es immer ins extra dafür eingerichtete 2. Badezimmer eingeschlossen werden. 

Einige Jahre später gewann ich, äußerst überraschend für meinen damaligen Oboenlehrer mit der Oboe 1980 den 1. Preis am Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb. Damit wurden mir die Türen ins Studium und somit ins Reich der Musik aufgetan. 

Die Blockflöte war trotz der frühen Erfolge mit der Oboe mein favorisiertes Instrument. Dies hängt sicher mit meinem großen Vorbild Frans Brüggen zusammen. Für viele meiner Zeitgenoßen waren es damals die Beatles, die für Begeisterung und Euphorie sorgten. Frans Brüggen war mein Idol, dem es nachzueifern galt. Ich besuchte seine Konzerte, sammelte und studierte seine Aufnahmen auf´s Genaueste. Ich wollte die Kunst seines Flötenspiels ergründen, und ließ die Schallplatte langsamer abspielen um auch ja jedes kleinste Detail, etwa jede Schwebung seines Vibratos wahrzunehmen. Die Formgebung der einzelnen Töne war so bezwingend schön und wunderbar musikalisch. Die rhythmischen Raffinessen und die Wahl seiner angebrachten Verzierungen waren nicht nur bezaubernd schön und stilistisch überzeugend, sondern geradezu betörend und magisch zugleich. Ich habe diese Inspiration zu meiner täglichen Nahrung gemacht und wäre nicht der, der ich heute bin, wenn nicht Frans Brüggen eine solch wesentlich Rolle in meiner Entwicklung gespielt hätte. Später hatte ich sogar das Glück, auch persönlich mit ihm zusammen zu arbeiten. 

Die Blockflöte gilt als bescheidenes Instrument. Aber mich fasziniert die Aufgabe, aus Wenigem viel zu machen. Mir tat die Blockflöte oft leid, wenn man schlecht über sie sprach oder man mir ausreden wollte, sie weiter zu spielen, da ich jetzt doch ein „rechtes Instrument“, die Oboe, spielen würde. 

Ich habe bis zum Konzertdiplom treu zu ihr gestanden. Nachdem ich diese  letzte Prüfung bestanden hatte, begann ich mich 1987 auf die Barockoboe zu konzentrieren. Wieder um packte mich der Eifer aufgrund eines Vorbildes. Meine Meister waren Han de Vries und Ku Ebbinge. Ich konnte nicht genug von ihnen hören und ich habe wiederum  über´s Zuhören am meisten gelernt. Die Barockoboe fand einen großen Platz in meinem Leben. Mit gleicher Begeisterung wie zuvor bei der Blockflöte, suchte ich nach Mitteln und Wegen, um das Instrument auf höchstem Niveau zu beherrschen. Fasziniert hat mich vor allem der Klang der Oboe. Mit diesem Klang kommt man der menschlichen Stimme sehr nahe und hat somit enorme Ausdrucksmöglichkeiten. 

Mit der Barockoboe eröffnete sich mir das Tor zur Orchesterliteratur der barocken Zeitepoche. Schnell fasste ich Fuß als Solooboist, in vielen damals schon weltbekannten Ensembles und Orchestern. Ich hielt mich unter anderem für längere Projekte in Berlin und Köln auf, spielte dort mit dem Ensemble „Akademie für Alte Musik“ Berlin und „Concerto Köln“, in Paris: mit „Les talens lyrique“ unter der Leitung von Christoph Rousset, in Wien: mit Martin Haselböck und seinem Orchester „Wiener Akademie“ u. a.

Aus dieser lehrreichen Zeit ergab sich eine feste Position in der Niederländischen Bachgesellschaft. (NBV) Ich habe dort unter der künstlerischen Leitung von Jos van Velthoven über 26 Jahre gewirkt. In den vielen Jahre waren auch regelmäßig Gastdirigenten eingeladen. Besonders gerne denke ich an Projekte zurück mit Gustav Leonhardt, einem Mitbegründer der Alten Musik Bewegung. Vor etwa 5 Jahren begann die NBV ein Projekt welches sich zum Ziel setzt, die Aufführungen aller Werke von Johann Sebastian Bach auf der Homepage allofbach.com zu dokumentieren. Das ist für einen Oboisten eine sehr dankbare Aufgabe, der ich mich dankbar und mit viel Ehrfurcht gewidmet habe. 

Über die letzten Jahre hinweg änderten sich meine berufliche Umstände. Das brachte mit sich, dass ich die Liebe zur Blockflöte wiederentdeckte. Mich beflügelte die Idee, ein Soloprogramm zu spielen, inspiriert von einem berühmten Werk von Bach: Toccata und Fuge BWV 565.  War es möglich, eine Solo Blockflötenfassung zu realisieren? Ab dem Moment begleitete mich dieses Werk täglich. Ich übte, arrangierte, komponierte und probierte stundenlang: ein Prozess, der mich mit Befriedigung erfüllte. Auch bestätigte mich der Wunsch nach mehr eigener, selbstbestimmter künstlerischer Aktivität. So entstand das Projekt „Blockflöte unbegleitet“. Es sollten sieben Werke sein, sieben verschiedene Blockflöten und jeweils sieben Konzerte pro Serie. Inzwischen habe ich die Toccata und Fuge schon in gut 50 Konzerten in Deutschland, Schweiz, Holland, Belgien und Italien gespielt. 

Heute ist es mein Anspruch, dass ich beiden Instrumenten, der Barockoboe und der Blockflöte gleichermaßen gerecht werden kann: eine Herausforderung! 

Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist ohne Zweifel die: Ich fahre mit dem Rad, mit den Instrumenten im  Rucksack los am See entlang. Mein Ziel ist eine Kirche wo ich Zeit zum üben und zum vorbereiten meiner musikalischen Aufgaben habe. Das ist für mich etwas vom Schönsten, und ich komme anschließend ganz zufrieden und glücklich nach Hause.